Dezember
2002
Vorbereitung
und Überfahrt nach Cabo Verde
Anfangs Dezember 02 ist der Hafen von San Sebastian de La Gomera noch immer
ganz gut besetzt. Obschon
schon sehr viele, vor allem die etwas Ungeduldigeren
und die sogenannten "Schwarzfahrer der ARC", den Hafen
Richtung offenes
Meer verlassen haben, liegt weiterhin eine nicht zu beschreibende Spannung und
Nervosität in
der Luft.
Hier wird nochmals hektisch
das Rigg überprüft, bei der Männercrew
muss noch mehr Bier nachgebunkert werden
und bei anderen Booten ist ein Teil
der Crew noch nicht eingetroffen.
Auch bei uns beginnt das kribbeln im Magen, obschon wir gegen aussen hin natürlich
ganz cool zu bleiben
versuchen. Die MOMO ist vollgestopft
mit Lebensmitteln aller Art. Die Bananen am Heck, das sieht doch so
weltenbummlerisch
aus, sind auch festgemacht. Unsere letzten Kontrollen am Boot und bis auf dem
Masttop oben,
sind gemacht, der neueste Wetterbericht im Internet nochmals runtergeladen
und der Abfahrtstermin definitiv
auf morgen Mittag festgelegt.
Für diesen Teil unserer Reise begleiten uns Segelfreunde vom Neuenburgersee.
Corinne und Mike planen, in
ca. 5 Jahren, mit ihrer "Cleophea" in
unserem Kielwasser zu folgen. Mit dieser Überfahrt zu den Kapverden möchten
die Beiden die Bestätigung erfahren, dass das Leben an Bord eines Segelbootes,
ihren Vorstellungen entspricht. -
Träume nicht
dein Leben, lebe deinen Traum. Das kennen wir doch schon, oder?!?
Unter
relativ guten Bedingungen starten wir in Richtung Cabo Verde. Die Wetterprognose
für die nächsten Tage
versprach, Wind 4 - 5 Bft. aus Nordost mit 3
Meter-Dünung aus Nordwest, später dann ein leichtes Nachlassen des
Windes. In den ersten 2 Tagen machte uns die unangenehme Dünung, das heisst
eigentlich nur unseren Mägen,
einen kleinen Strich durch die Rechnung.
Das richtige Segelvergnügen begann erst am dritten Tag, doch dann war
plötzlich
der Wind weg. Die neuesten Wetterprognosen von Radio France International waren
für unsere
Reisestrecke nunmehr nicht mehr ideal. Um uns herum keinen Wind
mehr und hinter uns hatte dieser sogar auf
Südwest, mit rasch zunehmender
Stärke, gedreht. Jetzt mussten wir entscheiden, entweder unseren Motor
zu
starten und versuchen vor dem starken Südwestwind die Kapverden zu erreichen,
oder die Flaute absitzen und
dann gegenan zu Kreuzen. Mit diesen Aussichten
konnte es für uns nur eine Entscheidung geben: Motor an.
Wozu, wenn nicht
jetzt, haben wir ja schliesslich unseren Jockel und den 1000-Liter-Dieseltank.
Jetzt erlebten wir eine andere Art des Fortbewegens. 86 Stunden lang lief unser
Motor, nur einer Oelkontrolle
wegen kurz unterbrochen, nonstop bis knapp vor
Ankunft auf den Kapverden. Die See war spiegelglatt, beinahe
unheimlich und
die Dünung kaum mehr spürbar. Das tägliche Essen konnte seelenruhig
auf dem Tisch serviert
werden, als ob wir uns in einem geschütztem Hafen
befänden. Wir hatten gar nicht mehr den Eindruck, auf dem
Atlantik zu sein.
Wir erlebten einen recht gemütlichen Bordalltag und die Stimmung mit unseren
beiden Gästen
war wirklich super.
Dass unsere
Entscheidung, unter Motorkraft die Kapverden zu erreichen, richtig war, erfuhren
wir später im Hafen
von Palmeira von einem deutschen Katamaran und einem
schwedischen Segelboot. Die Beiden hatten, aus Mangel
an Treibstoff, die Flaute
absitzen müssen. Dann bekamen sie den angekündigten Wind voll auf
die Nase und
mussten 4 Tage lang hart gegenan kämpfen. Das ist, bei einer
Windstärke von 6 - 8 Bft. absolut kein Spass, mehr.
Auch die enormen Belastungen
für das gesamte Boot sind nicht unbedingt von Vorteil. Für die gesamte
Strecke
benötigten wir, dank der Motorenhilfe, 6 ruhige Tage. Die beiden,
oben erwähnten Boote, brauchten 12 und 14
harte und mehr als unangenehme
Tage, für die gleiche Strecke.
Abschied von La Gomera und die Überfahrt nach den Kapverden
Erste Eindrücke von Cabo Verde
Wir sind am Nachmittag
des 12. Dezember 02 im Hafen von Palmeira vor Anker gegangen. Wir finden einen
sicheren
Platz, inmitten von ca. 15 anderen Segelbooten.
Da wir aus verschiedenen
Quellen, Bobby Schenk usw., einige sehr negative Berichte über die Kapverden
gehört
haben, sind wir für unsere Ankunft, auf der Insel Sal, ein bisschen skeptisch.
Aber es zeigt sich einmal mehr, dass
man "es" selber erleben und jeder
seine eigenen Erfahrungen machen muss.
Ich bin halt nach wie vor überzeugt, dass der alte Ausspruch stimmt:
"So
wie du selber auf die fremden Menschen zugehst, so werden sie auch dich behandeln"
!!!
Das Leben und die Mentalität
hier auf Capo Verde, ist sehr afrikanisch. Der grösste Teil der Bevölkerung
stammt
auch von den afrikanischen Sklaven ab und daher ist ihre Hautfarbe recht
dunkel bis schwarz. Die Europäer haben
aber auch Ihre Spuren hinterlassen. Es
gibt darum einige sehr hellhäutige und sogar dunkle Menschen mit blonden
Haaren.
Ein richtiges Farbengemisch. Das sieht dann für uns erst recht exotisch aus.
Die Leute hier sind unheimlich
freundlich, offen und sehr hilfsbereit. Wenn
wir mit dem Beiboot an Land kommen, versammelt sich immer sofort
eine Gruppe
von Neugierigen, vor allem Jungs. Sie helfen uns spontan das Dingi an Land zu
ziehen und dann wird
jede unserer Handbewegung genau beobachtet. Es wird von
ihnen auch alles mit den Händen genau untersucht,
sie kennen da keine Hemmschwellen.
Die ganze Situation wird immer mit lautem Palaver und Gelächter begleitet.
Man
wird von ihnen richtig angesteckt und am besten ist es, ihr Spiel mitzumachen.
Schliesslich sind wir ja auch nur
die Gäste in Ihrem Land!
Das Leben hier ist so ganz anders, als wir es bisher gekannt haben, doch wir
fühlen uns hier trotzdem richtig wohl.
Bisher hatten wir noch nie das Gefühl, irgendwie bedroht, oder nicht erwünscht
zu sein. Die Unmenge von
Kugelschreibern und die anderen, kleinen, ausgemusterten
Werbegeschenke aus der Schweiz, welche von
Ruedi Baur (Texspo AG) spontan für
uns organisiert wurden, finden bei den jungen Kapverdianern grossen Anklang.
Kaum ist das erste Geschenk verteilt, sind wir schon von einer Traube Kinder
umgeben. Plötzlich haben alle noch
irgendwie 2 Brüder, oder Schwestern zu Hause
und die hätten doch für die Schule auch gerne einen Kugelschreiber.
Wenn ich
da ein klein wenig mit unseren, zum Teil sehr verwöhnten, Kindern in der
Schweiz vergleiche ..
Sal ist eine sehr trockene
Insel. Das Inselinnere besteht praktisch nur aus Steinwüste. Wasser ist hier
ein extrem
wertvolles Gut. Jeder Liter wird mühsam und teuer aus dem Meer gewonnen.
Es gibt hier weder Industrie noch
eine grössere Landwirtschaft. Im Süden hat
es schon ein paar Hotels, aber nur sehr wenige, da halt schlicht das
Wasser
fehlt. Alles muss von den anderen Inseln, oder das Meiste sogar von Afrika und
Europa, eingeführt werden.
Daher ist das Leben hier nicht billig. Die Preise
für Früchte, Gemüse und den Alltag sind zum Teil höher als in Europa,
nur die
Löhne sind natürlich afrikanisch tief. Das einzige Lebensmittel, das sie
zur Genüge haben, sind Fische.
Ich weiss wirklich noch nicht, wie sich
die Einheimischen das Leben hier so leisten können. Wie ich auch gelesen habe,
sollen die Kapverden doch zu den ärmsten Ländern der Welt gehören!
Kleine Episode vom Flugplatz
Am 19. Dezember morgens
um 04:00 Uhr fliegen Corinne und Mike zurück in die Schweiz. Das heisst,
so war es
geplant gewesen. Das offizielle Flugticket war auf diesen Termin ausgestellt,
der Flug 24 Stunden vorher, per
Telefon mit dem Büro der Cabo Verde Airline,
rückbestätigt worden. Gegen Mittag waren wir alle gemeinsam zum
Flughafen
gefahren, damit Mike frühzeitig einchecken konnte. Nach einer Stunde warten
am Schalter erfuhr er,
diesen Flug, wohlgemerkt, den auf dem offiziellen Flugticket
von Cabo Verde Airline notierten und zuvor als O.K.
rückbestätigten,
gibt es gar nicht. Der nächste Flug nach der Schweiz startet erst einen
Tag später, um 00:30.
Wie nun weiter. Die Beiden mussten diverse Telefone
in die Schweiz machen, um die Arbeitgeber und den privat
organisierten Flughafenabholdienst
zu informieren, dann mit dem Gepäck wieder zurück auf die MOMO und
nachher konnten sie sich dann, zum Glück für sie, über diesen
zusätzlichen Ferientag echt freuen.
Die Fluggesellschaft hat sich dann
für ihren Fehler auch noch erkenntlich gezeigt und den Beiden einen Rückflug
in der ersten Klasse geschenkt! Das ist eben Cabo Verde live.
Unsere MOMO hat Durst, Yvonne zu lange Haare
und erste Eindrücke vom Hafen
von Palmeira auf Cabo Verde
Ausflug nach Espargos, zu den alten Kratersalinen und nach Pedra Lume
Weihnachten
in Santa Maria auf Sal
Weihnachten
feierten wir mit Ursi, einer Freundin von Yvonne, welche mit ihren beiden Girls
der nasskalten Schweiz
entflohen ist, um bei uns etwas Sonne aufzutanken. Im
einfachen, kleinen Restaurant "Vulcão" in Santa Maria,
genossen
wir einen Weihnachtsabend ohne Geschenkstress. Die melancholische Livemusik
einer einheimischen
Gruppe rundete das ganz prächtig ab. Dieses Dorf
ist heute, für die Individualisten unter den Touristen, noch
ein echter
Geheimtip. Wie das aber in ein paar Jahren aussehen wird? Ich hoffe, dass die
zuständigen Behörden
die, natürlich nur zum Teil, abschreckenden
Beispiele von Südspanien und den Kanaren vor Augen haben.
Silvester
in Sal-Rei auf Boavista
Mit doce faz nada à la Cabo Verde geniessen wir die Sonne, das 24 Grad
warme Wasser, den prächtigen Strand
und schon ist der 31. Dezember da.
Für diesen Silvesterabend stellte ich mir etwas besonderes, ein Fest inmitten
der Kapverdianer, vor.
Auf unserer Einkaufstour fragten wir nebenbei in den verschiedenen Restaurants
(diese sind hier alle nur ganz klein
und sehr einfach, meistens nur ein Raum)
wo denn hier auf Sal-Rei am Abend gefeiert werde. Die Auskunft war leider
immer
dieselbe. Das Restaurant sei heute Abend geschlossen und gefeiert werde privat.
Nur ein neues Hotel hatte
ein Silvesterbuffet mit Tanz im Angebot, jedoch nur
für die Touristen - doch das war ja nicht das, was wir eigentlich
wollten.
Nach der letzten Suchrunde kam ich zurück und konnte meiner Frauencrew melden,
dass ich etwas Spezielles
organisiert hätte. Ich versprach, es werde ein
Jahreswechsel, den sie so schnell nicht mehr vergessen werden. Sie
sollen um
19.00 bereit sein für den Dingitransfer an Land. Hier nur kurz eine Erklärung:
das "an Land gehen" ist hier
immer eine recht nasse Angelegenheit.
Der grossen Dünung wegen, ist es ratsam, nur mit der Badehose bekleidet
ins Dingi zu steigen. Spätestens, wenn nicht schon vorher unterwegs, beim
Aussteigen ins knietiefe Wasser, wirst
du vom Meer geduscht. Da hier meistens
kein Anlegesteg für kleine Beiboote besteht und die Atlantikdünung
recht
ungebremst das Ufer erreicht, ist jedes "an Land gehen" immer
ein kleines, manchmal sogar lustiges, aber garantiert
nasses Abenteuer.
Nun
begannen also an Bord der
MOMO die Vorbereitungen. Alle wieder einmal gründlich mit Süsswasser
duschen und
die beiden Teenager holten sogar ihre Schminksets hervor. Zur vorgegebenen
Zeit war die Frauencrew bereit,
natürlich erst im Badeanzug. Die schönen Kleider,
für den Ausgang, sind in unserem wasserdichten Sack verstaut und
werden
erst am trockenen Land, dies dann natürlich vor Zuschauern und unter freiem
Himmel, wieder angezogen.
Nun führte ich meine weibliche Crew durch die dunklen, unbeleuchteten Gassen
zum entsprechenden Haus.
Unterwegs wurden wir immer wieder von Kindern umringt,
die auf selbst gebastelten Instrumenten spielten, sangen
und uns Unbekannten,
mit ihrem strahlenden Lachen, ein schönes Fest wünschten. Direkt von der Strasse
aus betraten
wir einen Raum, ca. 4x6 Meter gross. Dieser war eigentlich ein
Geschäft. Auf der linken Seite war ein kleines Gestell mit
Kleidern, von den
Unterhosen über Krawatten zum einfachen Abendkleid war alles dabei. Vorne waren
eine Theke
und dahinter ein Regal mit Lebensmittel.
Da die Leute fast nichts
kaufen können, sieht das Angebot etwa wie folgt aus: 10 Büchsen Tomaten, 3 Gläser
Mayonnaise, 5 Behälter Margarine, ein paar Bouillonwürfel, 10 Rollen WC-Papier,
ein paar, von Hand abgefüllte
Plastiksäcke mit Reis, Salz usw.. Wenn ich mir
jetzt so vorstelle, wie das Angebot in den europäischen Supermarkts
über die
Festtage ausgesehen hat, bin ich mir nicht ganz sicher, welche Lebensart denn
eigentlich wirklich die
Bessere ist.
Zurück zu unserem Ladenrestaurant. Quer durch den Raum war jetzt sogar eine
einzelne Papiergirlande gespannt
und mitten drin stand ein liebevoll gedeckter
Tisch, mit weissem Tischtuch, für 5 Personen. Kurz darauf erschien die
Tochter
des Hauses und servierte uns eine Flasche Wein, die sie extra für uns organisiert
hat. Anschliessend kommt
der Chef persönlich und bringt das Nachtessen. Es gab
Fisch und Hähnchen mit Reis, Kartoffeln und viel Gemüse.
Es war sehr gut
gekocht, nur die Menge war ein bisschen zuviel, doch wir schlugen uns tapfer
und assen alles auf.
Anschliessend wurde die erste (von später noch einigen)
Runde vom einheimischen Schnaps (Grogue) serviert und
die Stimmung war rundherum
super. Die ganze Familie plauderte mit uns, natürlich in allen möglichen
Sprachen
und mit Händen und Füssen. Zwischendurch kamen immer wieder
junge Männer, die Anwesenheit von weiblichen
Europäerinnen hatte sich anscheinend
rumgesprochen, tranken im Stehen ein Bier und wollten unbedingt ein
bisschen
mit "meinen" 4 Frauen flirten. Gegen 23.00 Uhr verschwand der Hausherr
und sagte uns, nach Mitternacht
gäbe es im oberen Stockwerk SEINE grosse Party
und wir seien selbstverständlich alle herzlich eingeladen.
Um Mitternacht
kamen tatsächlich ganz viele fremde Leute, küssten uns und wünschten uns
ein feliz anov
(glückliches, neues Jahr). Zu lauter Musik wurde ins neue Jahr
getanzt. Wir waren die einzigen Weissen, doch es
war für die Kapverdianer
irgendwie selbstverständlich, dass wir dabei waren. Meine Frauen wurden nonstop
aufgefordert das Tanzbein zu schwingen. Kapverdische Männer übergaben
mir dauernd ihre Frauen, natürlich
nur zum Tanzen! Wir fühlten uns herzlich
willkommen. Als wir gegen 06.00 Uhr morgens auf unser Boot zurück
gingen, begleitete
uns der Hausherr noch persönlich bis an den Strand. - Es war für uns
wirklicht ein einmaliges
Erlebnis! Einmal mehr zeigt es sich, dass mit unserer
Art zu Reisen, unserem auf die Einheimischen zugehen, wir
genau richtig liegen.
Ein herzliches Dankeschön an Silvino, seine grosse Familie und sein liebliches
CASA D'JARECA für diese
echte Gastfreundschaft.
Santa Maria und weiter nach Sal-Rei, auf der Insel Boavista