Mai
2007
Von Cambridge
nach New York
Am 9. Mai war es endlich soweit. Nach 17 Monaten
im Trockendock füllte der Wind wieder die Segel unserer MOMO. Es war nun
wirklich Zeit, um unsere Reise wieder auf dem Wasser fortzusetzen. So interessant
und spannend das Leben im und mit dem Cämper war, die grosse Freiheit kann
man heute dort leider nicht mehr finden. Zu viele Reglemente und Gesetze engten
uns doch ein wenig ein. Als
die Leinen zu Cambridge endgültig gelöst waren, konnten wir schnell
die Enttäuschung, welche wir zum Abschluss mit der Werftleitung noch erleben
mussten, vergessen. Es zeigte sich einmal mehr, dass man wirklich nirgendwo vor
unseriösen Geschäftsleuten verschont bleibt. Doch schwamm darüber.
Dorthin kehren wir sowieso niemals mehr zurück und David, der Werftbesitzer,
soll mit dem von uns erschwindelten Geld glücklich werden.
Unsere
weitere Reise Richtung Norden konnte aber erst definitiv beginnen, nachdem wir
Helen und Hank in Annapolis besucht hatten. Dieser Besuch war uns sehr wichtig,
hatten diese Beiden uns doch, beim Ausbruch der Krankheit von Yvonne, sehr viel
geholfen. Der herzliche Kontakt mit ihnen ist über all die Zeit nicht abgerissen
und so freuten wir uns auf dieses Wiedersehen. Dieses Mal mussten wir aber schon
zu Beginn unseren Weiterreisetag festlegen, denn die Gefahr bestand, dass wir
sonst wieder für längere Zeit bei ihnen verweilen würden. Mit
einer Einladung zu einem Gourmetessen im traditionsreichen Yachtclub von Annapolis,
wo Helen und Hank natürlich Mitglieder sind, beendeten wir unseren Aufenthalt
in der Chesapeake Bay.
Bei prächtigem Sonnenschein, aber immer noch
tiefen Temperaturen und leider ohne Wind, motorten wir zum Chesapeake-Delawarekanal
hoch. In der Delaware Bay angekommen, kam endlich auch der Wind, doch leider aus
der um 180 Grad falschen Richtung.
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Das
AKW von unserem Ankerplatz aus.
| Die
Morgenstimmung als AKW-Werbung? | Ein
starker Südwind, welche unsere Weiterfahrt verunmöglichte, zwang uns
zu einer mehrtägigen Pause.
Da
in dieser Region starker Schiffsverkehr, um Philadelphia zu versorgen, herrscht
und Ankerplätze recht rar sind, hatten wir keine grosse Auswahl. Einen Ankerplatz,
mit Blick auf ein grosses AKW, hatten wir bisher noch nie. Trotz einem etwas mulmigen
Gefühl im Bauch, war der Platz nicht schlecht und er zeigte sich, beim Sonnenaufgang
auch noch von seiner romantischen Seite.
Als
die Wetterfront vorüber, der Wind mehr nach Norden gedreht hatte und die
Tide auch noch stimmte, starteten wir zu unserer Fahrt nach New York. Laut Wetterbericht
sollten wir für die nächsten 24 Stunden einen für uns passenden
Nordwestwind erwarten dürfen. Die Vorschau entpuppte sich aber, einmal mehr,
als absolut falsch und der Wind kam genau aus der Richtung, wo wir hinwollten.
Mit dem Cämper wäre uns das ja eigentlich egal gewesen, doch nun, hier
auf dem Boot ...
Da
es inzwischen schon Nacht war, wurde das Ganze doch etwas ungemütlich. Der
weiterhin sehr rege Grossschifffahrtsverkehr brauchte unsere volle Aufmerksamkeit.
Als
dann plötzlich das Aussendisplay des Radars nicht mehr funktionierte, erleichterte
dies die Aufgabe auch nicht gerade, doch das war nur noch ein Instrument mehr,
welches die Zeit an Land nicht überlebt hatte.
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ahhhh
.... im Cämper waren die Überfahrten aber angenehmer .... | ....
doch dafür gab es aber keinen frisch gefangenen Fisch.
| Diese
Schleppverbände sind nicht ungefährlich. | | | | New
York ist in Sicht .... | ...
nein zuerst kommt Coney Island .... | ....
erst hier taucht New York auf.
| Mit
Hilfe des Motors und unzähligen Kursänderungen, überstanden wir
auch diese Nacht und beim Erwachen des neuen Tages erblickten wir, zwar noch in
weiter Ferne, die ersten Häuser von Coney Island, dem südlichsten Vorort
von New York.
Meinen
lange gehegten Wunsch, mit der MOMO unter Segel an der Freiheitsstatue vorbeizusegeln,
konnte ich mir aber nicht erfüllen. Erstens kam der Wind immer noch aus der
falschen Richtung und zweitens kam die US Coast Guard wirklich gerade zu der Zeit
zu uns an Bord, als wir kurz vor der Statue of Liberty waren. Mit Blaulicht
kamen die Beamten der Küstenwache in einem schnellen Gummiboot angeflitzt.
Zwei Mann stiegen zu uns an Bord. Der Steuermann blieb in ihrem sitzen und
war für eine freie Fahrstrasse verantwortlich, denn ich hatte die Order,
während ihrer Kontrolle meinen Kurs und die Bootsgeschwindigkeit beizubehalten.
Das war sehr einfach, machten uns doch alle anderen Boote Platz, da das Blaulicht
der Coast Guard weiterhin sehr respekteinflössend blinkte. Diese obligatorische
Kontrolle wurde in gewohnt professioneller und sehr freundlicher Manier abgewickelt.
Ausser einem Hinweis, dass wir einen geschriebenen Abfallplan, auch möglich
in deutscher Sprache, an Bord mitführen müssten, war alles i.O.
Nachdem
der Bootscheck und somit natürlich auch die Freiheitsstatue vorüber
waren, drehten wir um und fuhren den Hudson River wieder hinunter.
So
konnten wir nun doch noch und diesmal in aller Ruhe, uns ein Bild von dieser symbol-
und sehr geschichtsträchtigen Statue verschaffen. Die Freiheitsstatue
dürfte das wohl berühmteste Wahrzeichen der USA sein und steht auch
heute noch, als ein Symbol für Freiheit und unbegrenzte Möglichkeiten.
Die Statue war ein Geschenk der Franzosen und wurde im Jahr 1886 errichtet.
Direkt
neben der Freiheitsstatue liegt Ellis Island. Sie war für mehr als 100 Millionen
Einwanderer die erste Station in Amerika. Hochgefühl und Tränen lagen
auf dieser Insel oft dicht beieinander, denn Einwanderer mit Krankheiten, ungewissem
Geisteszustand oder Arbeitsunfähigkeit (ca. drei Prozent) wurden sofort wieder
in ihre Heimatländer abgeschoben. Für die anderen Einwanderer war diese
Insel der Start in ein neues Leben. Da kann ich nur sagen, zum Glück musste
ich diesen Check heute nicht auch noch machen, denn wer weiss ...
Nach
einem ersten, grandiosen Blick auf Manhattan und die, seit dem 11.9.01 nicht mehr
vorhandenen beiden Tower des World Trade Centers, fuhren wir, mit Sicht auf das
Empire State Building, zu unserem Ankerplatz. An
der 79. Strasse sollte, laut unseren Informationen, eine noch bezahlbare Marina
sein. Für $ 30.-- (die Nacht) konnten wir dort auch wirklich an einer Boje
festmachen. Dazu muss man wissen, dass eine Marinaübernachtung in New York
normalerweise und dies erst noch ausserhalb der Saison, ab $ 2.50 (pro Fuss, wohlverstanden)
kostet. In der Saison beginnen die Preise bei $ 4.50.-- Somit konnten wir uns
also über die $ 30.-- absolut nicht beklagen. Die Lage der Boje war erst
noch nur einige Fussminuten von der U-Bahnstation entfernt und da konnte man ein
wenig (manchmal auch mehr) Schwell am Bojenplatz locker akzeptieren. Bei unseren
Ausflügen nach Manhattan, Brooklyn, Queens usw. fühlten wir uns eigentlich
immer sicher, sieht man vom etwas mulmigen Gefühl ab, welches mich immer
wieder beschlich, wenn ich von der Strasse aus die Fassade eines Wolkenkratzers
hoch schaute. Ich fühlte mich echt wie der kleine Emmentaler Bauer in der
Grossstadt
was im Grunde genommen ja auch stimmte. Einen
NY-Besuch ohne ein Musical gesehen zu haben, fanden wir sehr schade. Nur die Eintrittspreise
waren eigentlich (für uns gewöhnliche Langzeitsegler) doch etwas gar
happig. Die Preise von 120.-- $ an aufwärts, sprengten leicht unser Budget.
Nun gibt es hier für Leute ohne allzu viel Geld, dafür aber mit genügend
Zeit, eine spezielle Tageskasse. Diese ist immer ab 15:00 Uhr geöffnet und
verkauft die überzähligen Billette von verschiedenen Aufführungen
und diese zum halben Preis. Um noch eine grössere Auswahl an Billetts
anzutreffen, entschlossen wir uns, uns schon um 14 Uhr an der betreffenden Kasse
einzufinden. Auf einige wenige Leute, welche auch ein ½-preisbillett
ergattern wollten hatten wir uns eingestellt. Was wir dann aber dort antrafen,
war doch leicht überraschend. Absperrungen, wie während des Lauberhornrennens
an der Talstation in Lauterbrunnen und dann waren da auch schon einige hundert
wartende Leute, mit der gleichen Absicht wie wir ... Na ja, wer nur wenig Geld
ausgeben will, der muss halt Zeit haben
doch diesen Spruch kennen wir schon. Nur
noch soviel dazu. Wir sahen das Musical "A Chorus Line" und waren total
begeistert.
Von
New York war ich absolut fasziniert. Das Gemisch der verschiedensten Kulturen,
die Hektik in den Strassen und die Ruhe in den Parks, das Kunterbunt und die phantastische
Architektur, die modernsten Einkaufshäuser neben, hier nie für möglich
gehaltenen, alten Lebensmittelgeschäften. Solche waren z. B. das "Zabar's"
und der "Fairway Market".
Hier ist die Zeit, nur in der Ladeneinrichtung
und nicht im Sortiment, tatsächlich stehen geblieben. Auf den folgenden Bildern
siehst du ein wenig davon und ich hoffe, dass von dieser hier herrschenden Ambiance
etwas zu dir rüber springt.
Die
Dimensionen sind dann auch echt amerikanisch. Über 600 verschiedene Käsesorten,
Pilze bis zum Abwinken, Gemüse und Früchte wie in Südamerika und
noch vieles mehr.
Wer die modernen und sterilen US-Supermärkte kennt,
kann vielleicht meine Begeisterung für diese New-Yorker-Nostalgiegeschäfte
mit mir teilen.
Dass hier die Preise zudem noch sehr moderat und wir uns
daher wieder einmal so richtig nach Herzenslust im Käseessen schwelgen konnten,
war nur noch ein angenehmer Nebeneffekt. Falls nun jemand Lust hat, bei seinem
nächsten Besuch in New York diesen Geschäften auch seine Aufwartung
zu machen, hier sind die Adressen: Zabar's ist am 2245 Broadway und der Fairway
befindet sich an der 2127 Broadway.
Den
Hudson River hoch und unsere MOMO oben ohne
Nach ein paar, für
mich sehr spannenden Tagen, hiess es wieder, die Tidentabelle gut kontrollieren.
Der Hudson River hat auf seinen nächsten 200 Meilen, eine nicht zu unterschätzende
Tidenströmung. Schon die Ureinwohner, die Mahican-Indianer, nannten dieses
Gewässer "Muh-he-kun-ne-tuk" - den Fluss, der in beide Richtungen
fliesst.
Für
die Nichtsegler heisst das, wenn die Tide auflaufend ist, können wir lossegeln
oder motoren. Nur zu diesem Zeitpunkt ist praktisch keine Strömung gegen
uns, oder manchmal sogar leicht mit uns. Ist die Tide jedoch ablaufend, so
addiert sich die Flussströmung noch dazu und wir haben hier einen sehr unangenehmen
Gegenstrom von bis zu vier Knoten. Wegen
der wirklich unbestrittenen Schönheit des Hudsontals wird dem Hudson River
auch manchmal die Bezeichnung "Der Rhein Amerikas" verliehen. Dies finde
ich nun aber doch leicht hoch gegriffen. Es fehlen hier ganz klar die romantischen
Städtchen, denn auch hier sind alle Siedlungen nach dem typischen, amerikanischen
Schachbrettmuster angelegt. Der
rege Schiffsverkehr der grossen Pötte hielt uns auch ganz schön auf
trab. Es war irgendwie wie verhext. Immer wenn sich der Fluss verengte und dadurch
der Platz recht knapp wurde, kam uns doch so ein Koloss entgegen. Manch kleiner
und auch grösserer Adrenalinstoss, wurde dadurch ausgelöst. Nicht zu
vergessen natürlich auch die Diskussionen zwischen der MOMO-Besatzung,
welche danach immer unweigerlich folgte
..
Nach
fünf abwechslungsreichen und meistens gemütlichen Tagen erreichten wir
die kleine Ortschaft Catskill. Hier legten wir unseren Mast und machten aus dem
stolzen Segelschiff MOMO ein Zwischending
zwischen Motorboot und schwimmendem Haus.
Dafür mussten wir passende
Maststützen basteln, das heisst eigentlich, die in der Marina herumliegenden
und schon mehrfach gebrauchten Stützen, auf die Bedürfnisse der MOMO
anpassen. Als wir diese, für unsere Bedürfnisse umgebauten Stützen,
dann später in Canada, nach dem Wiederaufstellen des Mastes nicht mehr brauchten,
deponierten wir "unsere" Stützen einfach in der Marina. Im
folgenden Herbst wurden sie auf einem anderen Boot wiederum neu zugesägt
und nach Catskill zurück gebracht. Somit werden die gleichen Stützen
immer mehrfach gebraucht, was wirklich sehr sinnvoll ist.
Nach einem Tag
Arbeit hatten wir den nun auf dem Deck liegenden Mast gut verzurrt. Jetzt waren
wir also bereit, um den Erie Canal bis zum Lake Ontario und nachher natürlich
noch den Trent Severn Canal, zu befahren. Für
die nächsten Wochen wurde aber unsere Bewegungsfreiheit an Deck stark eingeschränkt.
Die Idee, einen Hockeyhelm zu tragen, wäre wirklich nicht allzu dumm gewesen.
Verschiedenste blaue Flecken am Kopf und die darauf folgenden unschönen Kraftausdrücke,
hätten so verhindert werden können.
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