November 2004




"El Morro" - oder das andere Venezuela

Die Gesellschaft Venezuelas ist von erheblichen sozialen Gegensätzen geprägt. 31,30 Prozent der Landesbewohner sollen, laut offiziellen Angaben, unterhalb der Armutsgrenze leben. Und diese Grenze ist dann aber ganz tief!
Diese gewaltigen Klassenunterschiede, wie natürlich auch in vielen anderen südamerikanischen Ländern, sind ein riesiges Problem, welches wir Europäer uns immer wieder nur sehr schwer vorstellen können.
Da müssen zum Teil grössere Familien in selbst gezimmerten Bretterhütten, zusammengepfercht auf ganze mickrige 3 x 3 Meter, wohnen. Nur 50 Meter nebenan steht eine Villa vom Feinsten, aber mit einer grossen Mauer umgeben und Tag und Nacht bewacht von mehreren bewaffneten Sicherheitsleuten.
Mit den nachfolgenden Bildern möchte ich Euch jetzt einige Wohn- und Ferienhäuser von wohlhabenden Venezuelanern zeigen. Vor ca. 20 Jahren wurde in der Gegend "El Morro", zwischen Barcelona und Puerto La Cruz gelegen, mit dem Bau dieses riesigen Wohngettos begonnen. Für unser westliches Auge sehr schön anzusehen, doch wie würden das die 31.30 Prozent der anderen Venezuelaner sehen? Ach ja, sie können das gar nicht sehen, denn sie kommen nicht durch die bewaffneten Absperrungen hindurch.






 

 

 

 

 

 

 

 


Passantrag in Venezuela

Folgende kleine Geschichte habe ich von Ineliz, der Spanischlehrerin von Yvonne gehört.
Ineliz ist eine junge, rassige venezuelanische Studentin. Um das Taschengeld etwas aufzubessern, gab sie in der Marina Bahia Redonda täglich Spanischku
rse. Recht erfolgreich für sie und auch für einige Kursteilnehmer. Yvonne jedenfalls schwärmte sehr von ihr und das erst noch in beinahe perfektem Spanisch.

Also, Ineliz benötigte nun aber unbedingt einen venezuelanischen Pass. Sie plante in nächster Zeit zu ihrem Vater zu reisen, welcher spanischer Staatsbürger ist und eben auch dort wohnt. Ihr Wunsch ist, über den spanischen Vater nun natürlich auch den spanischen, sprich europäischen Reisepass zu bekommen.
Um aber überhaupt ausreisen zu können benötigte sie zuerst den venezuelanische Pass. Dazu musste ein persönlicher Passantrag eingereicht werden. Nur jeden Montag und Dienstag, immer zwischen 08:00 bis 12:00 Uhr, besteht die Möglichkeit dieses Antragsformular persönlich auszufüllen und abzugeben. Auch werden pro Tag nur die ersten 80 anstehenden Personen berücksichtigt. Was machte nun also unsere junge und intelligente Ineliz?
Sie beauftragte eine arbeitslose Person, um für sie vor dem betreffenden Büro zu warten. Dieselbe Frau nahm natürlich auch noch weitere "Schlangenstehaufträge" an und stand in der Schlange für die Personen Nummer 10 bis 14 an. Die Arbeit der "Schlangenstehfrau" begann am Samstagmorgen um ca. 08:00 und endete am Montagmorgen um 08:00 Uhr. Ineliz konnte dann, am Montagmorgen um 08:00, ihren reservierten Platz in der Kolonne einnehmen. Sie musste dann allerdings noch weitere zwei Stunden lang warten, um endlich bis zum Passbüro vorzudringen.
Die "Schlangenstehfrau" hatte über das ganze Wochenende, von den fünf von ihr vertretenen Personen, je 250'000.-- Bolívar erhalten. Umgerechnet betrug ihr Lohn, für venezuelanische Verhältnisse ungewöhnlich stattliche sFr. 625.--.
Hier nur zum Vergleich: ein durchschnittlicher Monatslohn einer venezuelanischen Sekretärin beträgt ungefähr sFr. 150.--.

Wer sagt denn da noch: warten lohne sich nicht !?!




Abschied von der Marina Bahia Redonda und Venezuela

Der Strand und kleine Restaurants, ausserhalb des Marinageländes.

Blick Richtung Puerto La Cruz.
Bolivardenkmal von Puerto La Cruz.

Bahia Redona.

Bahia Redona. Bahia Redona.
Bahia Redona. Ich hätte vorher nie gedacht, wie angenehm eine Klimaanlage sein kann.

Wir spürten es körperlich und riechten es praktisch auch in der Luft. Es nahte wieder einmal ein Abschied. Ein Abschied von all den neu gewonnen Freunden, ein Abschied vom ruhigen und überaus angenehmen Marinaleben. In solch schwierigen Momenten begannen wir, eigentlich vor allem Yvonne, unsere Reise wieder einmal etwas zu hinterfragen.
"Warum bleiben wir denn nicht einfach hier? - Warum gehen wir jetzt wieder aufs offene Meer hinaus und lassen uns durchschütteln? - Warum setzen wir uns den Gefahren und Unsicherheiten immer wieder aus, wo es doch hier im Hafen, oder auch an Land, so ruhig wäre?"
Solche und noch hundert andere, ähnliche Fragen tauchen dann urplötzlich auf. "Ein kleines Häuschen am Meer. - Ein Garten und 50 Tiere darum herum, mehr brauchen wir doch eigentlich nicht, oder?"
Yvonne hatte viele Argumente, gegen welche ich nur schwer dagegen halten konnte. Es stimmt ja, dass wir in den letzten Jahren schon sehr viel von dieser Welt gesehen haben. Was bringt uns die Weiterreise also eigentlich noch?
Nordamerika, Kanada und Alaska, das waren dann meine Schlagworte, welche ich noch ins Rennen werfen konnte. Wieder einmal die verschiedenen Jahreszeiten erleben, wieder einmal, nach drei wirklich interessanten Jahren tropischen Klimas, frieren. Wieder einmal einen Rhabarberkuchen, natürlich mit viel Nidle (zu Hochdeutsch = Schlagsahne), essen.
So banal, wie es sich hier jetzt anhört, so überzeugend war damals die Wirkung meiner Worte gewesen. Auch, dass es keinen Abschied von der deutschen Momo geben musste, weil wir für die nächsten zwei Jahre ähnliche Routenpläne haben, hat den Abschiedsschmerz für dieses Mal wieder etwas gemildert.
Wir setzten also nun unsere Reise am 17. November 2004, zusammen mit Barbara, Wolfgang und ihrem Kater Einstein, fort.

Bis es soweit war gab es aber natürlich noch die obligaten, jährlichen Unterhaltsarbeiten an der MOMO zu erledigen. Für eine Woche gingen wir an Land, um das neue Antifouling aufzutragen. Bei dieser Gelegenheit schweissten wir auch noch gerade neue Inox-Halterungen, für unsere Hochseeangelrute und das neue Ankerlicht, auf dem Heckdavit, an.
Dann hiess es auch, unsere Klimaanlage zu verkaufen. Das war noch ein kleines Pokerspiel, hatte sich doch, nach Yvonnes erster Funkdurchsage, zuerst niemand gemeldet. Dann kam ein amerikanischer Segler, welche die Anlage aber gerade mitnehmen wollte. Ich war aber nicht bereit, die letzten zwei Tage unter Deck zu schmoren. Also verzichtete der Ami auf unsere Anlage und hoffte aber, diese kurz vor unserer Abfahrt dann doch und zwar sehr billig, erwerben zu können. Am letzten Tag kam ein einheimischer Arbeiter zu uns aufs Boot und übernahm, genau eine Stunde vor unserer Abfahrt, unsere Klimaanlage. Das war perfektes Timing und der spekulierende USA-Segler musste weiterhin mit einem "heissen" Boot vorlieb nehmen.

Weihnachtsdekoration in der Marina, am Tage ....

..... und in der Nacht. Weihnächtlich geschmückter Marinaweg.
Alle Jahre wieder. Unterhaltsarbeiten an Land.

Nur ein ganz kleiner Teil unseres Milchvorrats.

Zusätzliches Diesellager.
Der Liter für 2 Rappen!!

Nach dem Einkauf von frischem Gemüse und Früchten, waren wir beinahe startklar. Es fehlte nur noch das letzte Volltanken unseres Dieseltanks. Bei einem Literpreis von umgerechnet unter 2 Schweizerrappen, das ist kein Schreibfehler, wurde unser 1000-Liter-Tank natürlich prall aufgefüllt und dazu noch einige Reservekanister neu angeschafft. Für die 900 Liter Diesel bezahlten wir also mal gerade sagenhafte sFr. 18.--.

Unglaublich, aber wahr.

Hier in Venezuela kostet das Trinkwasser mehr als der Diesel!

Mit kurzen Zwischenstopps auf den Naturschutzinseln Mochima und Cubagua war unser erstes Ziel Porlamar, auf der Ferieninsel Margarita. Diese zollfreie Insel ist der ideale Absprunghafen nach Norden hin. Hier konnten wir noch ein allerletztes Mal so richtig günstig einkaufen. 150 Liter Milch, verschiedenste Konserven, Wein, Rum, verschiedene Fruchtsäfte, Cola, Teigwaren usw. usw. Die MOMO lag nun schon etwas tiefer im Wasser, als eigentlich vorgesehen. Doch was soll's. Wir werden in den nächsten Jahren nie mehr so preiswert einkaufen können. Als endlich alle Einkäufe seefest an Bord verstaut waren, ging es endgültig Richtung Norden, La Blanquilla und der Dominikanischen Republik entgegen.





Die Naturschutzinsel "La Blanquilla"

Palmen, weisser Sand und türkisblaues Wasser.

Vorbereitungen für das Fussballspiel. Die ominöse Wegkreuzung.
Das einsame Militärcamp auf La Blanquilla.

Yvonne, Wolfgang, der Commandante und sein Sergeant im Gespräch.

Natürlich darf auch hier,
ein Bolivar-Denkmal nicht fehlen.

Notunterkunft für die Fischer. Die Lagune innerhalb der Insel.

Keine Worte -
jetzt nur noch Träumen.

Nach einer angenehmen und ruhigen Nachtfahrt haben wir die erste Zwischenstation auf unserem Weg nach der Dominikanischen Republik, die kleine Naturschutzinsel "La Blanquilla", erreicht. Hier leben, ausser einer ganz kleinen Einheit, des venezuelanischen Militärs, keine Menschen.
Das ist wieder einmal unberührte Natur pur: Kokospalmen, weisse Sandstrände und klares, türkisblaues Wasser.

Am Sonntag vergnügten sich, die auf der Insel anwesenden 8 Militärburschen, beim Strandfussball. Bei dieser Gelegenheit kam der junge Kommandant der Truppe zu uns und lud uns alle zu einer Besichtigung ihres Camps ein. Dies liessen wir uns natürlich nicht entgehen und tags darauf marschierten wir los. Die Marschzeit, von unserem Boot zu der kleinen Kaserne, sei ca. 1 ½ Stunden, hatte er erzählt. So genau könne er es aber nicht sagen, denn er fahre diese Strecke natürlich immer nur mit dem Jeep. Ach ja, "da sei noch wichtig, dass wir bei der Kreuzung dann nach rechts gehen würden". Zur Erklärung dazu; auf der ganzen Insel gibt es nur eine kleine Naturstrasse, mit eben dieser einen Kreuzung.
Angekommen im Militärlager wurden wir freudig begrüsst. Hier ist eben jede Abwechslung herzlich willkommen, sogar wir Yachtis. Nach einer kleinen, aber interessanten Führung über das Gelände wurde uns, zum Abschluss, noch frischer Fruchtsaft offeriert. Das Militär zeigte sich von seiner besten Seite.

Faulenzen und die Schönheiten der Natur geniessen, war für einmal wieder angesagt. Wir genossen hier ein paar herrliche Tage.

Muchos gracias y hasta luego Venezuela !