September
2003
Von
Fernando de Noronha/Brasilien nach Degrad des Cannes in Französisch Guyana
Mit der deutschen Momo zusammen verliessen wir diese
romantische Naturschutzinsel, wegen einer kleinen Bürokratiewillkür-Missstimmung
(siehe bitte Bericht vom August 03) gezwungenermassen viel früher als geplant.
Nach sechs Monaten Aufenthalt in Brasilien traf uns dieses neue Gesetz doch recht
hart und unvorbereitet. Doch was soll's, jetzt hilft kein Jammern mehr. Nach ein
paar Tagen auf hoher See war auch mein Ärger weg und ich genoss das herrliche
Segelwetter. Den positiven Eindruck, den die Brasilianer und ihr Land auf uns
gemacht haben, überwiegt das wenig Negative bei weitem.
Wenn der Aufenthalt nicht auf ein halbes Jahr beschränkt gewesen wäre,
würde ich heute nicht von dieser Überfahrt, sondern weiterhin von unseren
Erlebnissen in Brasilien berichten.
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Äquatorüberquerung
mit 10,8 Knoten Fahrt über Grund ! | Rückenwind
und Strom mit uns, dann rauscht es wirklich nur noch unter unserem Kiel. Mit 10.8
Knoten Fahrt über Grund, das ist echt kein Seemannsgarn, überquerten
wir nun schon zum zweiten Mal den Äquator. Diesmal allerdings von Süd
nach Nord, aber leider wiederum in stockfinsterer Nacht. Somit habe ich ihn, den
Äquator, immer noch nicht richtig gesehen. Hoffentlich klappt es dann endlich
beim nächsten Mal. Herrliches Segelwetter, eine ausgezeichnete Stimmung
an Bord und die Küche lieferte täglich leckere warme Mahlzeiten. Das
gefürchtete Schlafmanko, bei einer 2er-Crew manchmal schon ein kleineres,
zuweilen sogar auch ein grösseres Problem, hielt sich diesmal in Grenzen.
Die Einzigen die mit dieser tollen Überfahrt sicher nicht zufrieden
sein konnten, waren unsere Aussenbordkameraden. Sie bekamen während der ganzen
Strecke von uns rein nichts, ausser den Küchenabfällen, geschenkt. Dafür
rächten sie sich dann aber auch. Auf der ganzen Überfahrt biss nicht
ein einziger Fisch an. Ich hielt dies echt nicht für möglich und versuchte,
sie, mit allen mir zur Verfügung stehenden Ködern zu überlisten.
Zuletzt band ich sogar noch einen alten ausgefransten Gummihandschuh, diese Technik
habe ich bei einem erfahrenen Weltumsegler gelesen, an den Haken. Erfolg wiederum
gleich null. Die Fische haben diesmal mich überlistet. Zum Glück
hatte Wolfgang, von der deutschen Momo, den richtigen Köder draussen. Zwei
Mal kam von ihm ein Funkspruch, mit der Mitteilung, dass kleinere Thunfisch angebissen
hätten. Kurz vor Guyana hatte er dann sogar noch einen echt grossen Burschen
an der Angel. Eine knapp ein Meter lange Golddorade opferte sich, um die beiden
MOMO's eine Woche lang zu verpflegen.
Französisch
Guyana Dieses
kleine französische Überseedépartement, welches 1498 von Kolumbus
entdeckt wurde, ist flächenmässig ungefähr doppelt so gross wie
die Schweiz. Einwohner hat es aber nur etwas mehr wie 2% der Bevölkerung
der Schweiz. Über 90% der Bodenfläche sind hier noch echter Urwald.
Unverständlicherweise wird weniger als 1% der Fläche landwirtschaftlich
genutzt. Der grösste Teil der Lebensmittel muss daher aus dem Ausland eingeführt
werden. Vorwiegend natürlich aus Frankreich. Die horrenden Preise in die
diesem Land erklärt das aber nur zu einem kleinen Teil.
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Tomaten |
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Kartoffeln |
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Grüner
Salat | Für
uns war das, obschon wir es vorher wussten, ein echter Schock. Nach den paradiesischen
Preisen in Brasilien, werden von uns hier nun unheimliche Summen verlangt. Für
ein Kilogramm Tomaten will man sFr. 7.--, für ein Kilogramm Kartoffeln sFr.
3.10, oder für ein Kilogramm gewöhnlichen grünen Salat sFr. 7.--.
Gestern wollten wir Zucchetti kaufen, doch bei einem Kilogrammpreis von sFr. 20.15
mussten wir passen.
Auffallend ist hier auch das Gemisch der Menschenrassen. Von ganz schwarz
bis ganz hell, von indianischer Abstammung bis zu den eingewanderten Asiaten,
ist alles vertreten. Die Leute aus dem fernen Osten haben sich auch praktisch
das ganze Geschäftsleben unter sich aufgeteilt. Es gibt heute wirklich nur
noch erschreckend wenige Restaurants und Verkaufsläden, welche nicht von
den Asiaten kontrolliert werden. Ich glaube, der französischen Regierung
kommt diese Situation sogar gelegen, denn so kommen die echten Gyanesen nicht
an die Wirtschaftsmacht und demnach auch nicht auf den Gedanken an einen selbständigen
Staat. Die spontane
Herzlichkeit des Brasilianers gibt es hier nicht. Wir verspüren eher eine
etwas ablehnende, oder sogar leicht misstrauische, Grundstimmung. Das Retourgeld
muss jedenfalls immer genau nachgezählt werden, sonst fehlt sicher ein Euro.
Im kleinen Hafen von Degrad des Cannes sind alle Fischer aus Brasilien. Die Franzosen
besitzen die Fischerboote und die Brasilianer macht die harte Arbeit. Wenn wir
ein paar Worte auf brasilianisch mit Ihnen wechseln, blühen diese gerade
auf. Wenn sie dann noch erfahren, dass uns Brasilien sehr gut gefallen hat, gibt
es den Fisch zu einen Freundschaftspreis, oder sogar ganz umsonst. Na ja, umsonst
wollen wir ihn aber nicht und darum gehen dann ein paar Dosen brasilianisches
Bier von unserem Kühlschrank auf ein Fischerboot.
Kourou
- der europäische Weltraumbahnhof - Centre Spatial Guyanais
Hier
sind die Gegensätze sicher am grössten. Landschaftlich gesehen grenzen
die supermodernen Fertigungshallen und die Abschussrampen für die Satelliten,
direkt an den Urwald. Bevölkerungsmässig gesehen, gibt es Menschen im
angrenzenden Urwald, die noch heute ohne jede moderne Technik und Elektrizität
leben. Mit unseren Freunden aus der Schweiz, Gabi Jüre und Claudia, besuchten
wir das Centre
Spatial Guyanais und das angeschlossene
Musée de L'Espace. Die echt interessante Führung durch das gesamte
Gelände dieses europäischen Weltraumbahnhofes
musste per Car geschehen, so riesengross sind hier die Distanzen zwischen den
einzelnen Fertigungshallen, den Abschussrampen und dem Kontrollzentrum. Die Tribüne,
von welcher die zahlenden Gäste jeweils einen Start live miterleben können,
ist sechs Kilometer von der Abschussrampe weg. Die Grösse des gesamten Geländes
beträgt ca. 21 km2. Zufälligerweise waren wir die letzte Gruppe, welche
vor dem nächsten Ariane 5-Start noch die Abschussrampe besuchen durfte. Was
auf den Fotos nun jetzt recht klein aussieht, ist in Wirklichkeit unheimlich und
mächtig. Beeindruckend war auch der Vortrag im Kontrollzentrum Jupiter. Vom
Fernsehen her ist diese Anlage mir schon bekannt gewesen. Jetzt da drinnen zu
sitzen und sich vorzustellen, welche materielle Verantwortung und Hektik am nächsten
Samstag, unmittelbar vor dem Start, da einige Leute haben werden, ist schon nicht
schlecht.
27. September
2003, 20:02 Uhr - Start von Ariane 5, Flug 162
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Ariane
5 - bei der Startzündung. |
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Ariane
5 - 8 Sekunden nach dem Zünden der Triebwerke. |
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Ariane
5 - als Feuerball am Himmel. |
Ohne es vorher zu wissen und zu planen,
sind wir genau zur richtigen Zeit hier in Guyana vor Anker gegangen. Am 27. September,
um 20:02 Uhr, ist ein weiterer Start einer Ariane 5 geplant. Das ist ein Schauspiel,
welches wir uns jetzt natürlich nicht entgehen lassen wollen. Schon eine
Stunde vorher sind wir auf dem, der Abschussrampe am nächsten stehendem Hügel,
dem Site Carapa. Mit uns sind schon über tausend Leute vor Ort. Es herrscht
eine strenge Eintrittskontrolle und nur total 1500 Personen werden auf diesen
Hügel hinauf gelassen. Ein grosser Bildschirm übermittelt die letzten
Arbeiten, Kontrollen und die angespannte Atmosphäre in den Kontrollzentren.
Zwischendurch werden Videoausschnitte von dem Einbau der zu transportierenden
Satelliten gezeigt. Auch hier auf dem Hügel steigt die Spannung, beinahe
wie an einem Cupfinal. Der Countdown verläuft planmässig, bis sieben
Minuten vor dem Start. Da wechselt plötzlich eine der vielen Kontrolllampen
von grün auf rot. Kurze Aufregung, bis der Grund bekanntgegeben wird. Die
beiden Boostertanks brauchten mehr Zeit, um alle Kontrollen zu bestehen. Nach
ein paar Minuten ist auch das Problem behoben und die Uhr tickt weiter Richtung
zéro. Alles bleibt zum Glück innerhalb des vorgeschriebenen Zeitfensters
von 20 Minuten, in der ein Start unweigerlich erfolgen muss. Reicht diese Zeitspanne
nicht aus, müsste die ganze Übung abgebrochen und um mindestens 24 Stunden
verschoben werden. 4-3-2-1-0 und dann sahen wir ein beinahe unbeschreibliches
Feuerwerk. Noch aus unserer Distanz von 12 km spürten wir das Vibrieren und
dumpfe Dröhnen in der Luft. Als sich die tonnenschwere Rakete, zuerst im
Zeitlupentempo und dann aber mit einer unheimlicher Beschleunigung, himmelwärts
bewegte, blieb uns nur ein Stauen, wie weit sich die Menschheit in dieser Technik
entwickelt hat. Einem Feuerball ähnlich, mit einem langen Schweifs im Heck,
überwand sie die Gesetze der Schwerkraft. Nach ein paar Minuten waren die
beiden Boostertanks leer, wurden von der Rakete abgesprengt und fielen ins Meer
zurück. Schon kurze Zeit später hatte Ariane 5 die geplante Flugbahn
erreicht. Der erste Satellit wurde ausgesetzt. Problemlos gelang dies auch mit
den beiden nächsten. Das Spektakel war somit vorbei und der Aussichtshügel
leerte sich langsam wieder. So eindrücklich das Ganze auch war,
es wirft doch einige kleine Fragen auf. - Was geschieht eigentlich mit den
vielen Tieren, welche da in unmittelbarer Nähe leben? - Bei unserem Besuch
und während der Führung durch das Centre
Spatial Guyanais sprachen die zuständigen
Leute nur von der Artenvielfalt und wie sie grosszügig viel Platz den wild
lebenden Tieren überliessen. Wie viele von diesen, bei einem Raketenstart
aber eingehen, sprich gebraten werden, wurde nie erwähnt.
Urwaldausflug Pünktlich,
morgens um 7:00 wurden wir von Gérard bei unseren Booten im Hafen von Degrad
des Cannes abgeholt. Wir, das waren Gabi mit Jürg und Claudia, unsere Freunde
aus der Schweiz, Barbara mit Wolfgang von der deutschen Momo, natürlich Yvonne
und meine Wenigkeit. Zuerst ging es ca. 120 km weit, den Schlaglöchern
immer gut ausweichend, bis zu dem Dorf Regina.
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Piroguenfahrt
mit Gastransport. | Dort
erwartete uns schon seine schnelle Pirogue. Das ist ab hier das einzige noch mögliche
Fortbewegungsgerät. Früher ganz aus Holz, heute jedoch meistens aus
Aluminium gebaut und mit einem starken Aussenbordmotor versehen, rasen diese übers
Wasser. Für die wenigen Leute, welche hier im Dschungel leben, ist das die
einzige Kontaktmöglichkeit zur Aussenwelt. Nach anderthalbstündiger
Fahrt und dem gekonnten Überqueren von Untiefen, erreichten wir die ersten
Stromschnellen. Für uns war klar, jetzt heisst es aussteigen. Weit gefehlt.
Gérard gab mehr Gas, wir hielten uns noch fester an der Pirogue und die
erklomm problemlos diese heiklen Passagen. Dass das aber nicht immer so einfach
geht, erfuhren wir erst später. Für das illegale Goldgräbercamp
mit seinen ca. 6000 Abenteurern, welches weiter flussaufwärts liegt, muss
alles auch hier herauf geschafft werden. Da komme es schon manchmal vor, dass
ein Boot querschlägt, kippt und seine ganze Ladung wieder Flussabwärts
treibt. Gérard jedenfalls meinte, dass er schon des öftern seine Lebensmittelvorräte
so aufgefüllt hätte.
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Das
Urwaldcamp von Gérard. | Schon
von weitem konnten wir "unser" Camp erkennen. Es liegt auf einem kleinen
Hügel, an traumhafter Lage. Einfache Einrichtungen und Hütten, aber
für hier im Dschungel doch schon recht luxuriös. Duschen und Toiletten
sind auch vorhanden. Geschlafen wird in Hängematten, in extra dafür
vorgesehenen runden Häuschen. Diese sind natürlich ohne Wände,
denn hier ist es nie unter 25 Grad warm. Am
ersten Tag war nur noch Baden im Fluss und ein 2 1/2 stündiger Urwaldspaziergang
angesagt. Bei diesem konnten wir viel vom Wissen und der Urwalderfahrung von Gérard
profitieren. Grosse bunte Schmetterlinge, Vögel und einige kleinere Reptilien
waren aber leider die einzigen Tiere, welche sich nicht vor uns versteckten.
Am nächsten Tag verlegten wir unser Lager noch weiter in den Urwald. Nach
einem ca. 3 stündigen Fussmarsch erreichten wir, beim Saut Athenas, das zweite,
von Gérard selbst gebaute Camp. Nur eine einfache Hütte, umgeben vom
dichten Dschungel und einem Fluss mit klarem Wasser. Hier konnten wir nun auch
die verschiedensten Tierlaute hören, aber leider wiederum keine Tiere sehen.
Der Urwald ist voll von Lebewesen, aber eben kein Zoo, wo diese ausgestellt sind
und uns auf dem Tablett präsentiert werden. Am nächsten Tag ging
es wieder zum Hauptcamp zurück. Mit Schrecken stellten wir fest, dass die
ganze Wasseranlage, im wahrsten Sinne des Wortes, am Boden lag. In der Nacht zuvor
hat eine Windböe, den auf drei Pfosten stehenden Wassertank
umgefegt und dieser lag nun zersplittert auf der Erde. Gérard tat mir in
diesem Augenblick echt leid, den ich weiss, welch mühsame Arbeit nun auf
ihn wartet. Der 3000-Litertank muss nun auch mühsam mit einer Pirogue herangebracht
werden. Dann den kleinen Hügel hoch und das aber ohne Strasse und ohne eine
Zugmaschine. Lieber er, als ich. Zum
Abschluss bekamen wir noch ein spezielles Essen vorgesetzt. Eine Anakonda, zubereitet
nach Art des Hauses. Zuerst hatte ich einige Gewissenbisse zu überwinden.
Das darfst du doch nicht Essen. Solch wildlebende Tiere muss man doch schützen.
Nach einigem Zweifeln wurde ich dann doch überzeugt, dass hier im Urwald
eben andere Gesetze gelten. Dass hier auch solche Tiere, für den Eigengebrauch,
halt eben erlegt werden. Bei uns in der Schweiz essen wir ja schliesslich auch
Gemsen und Wildschweine. Also gut, das Essen hat mir geschmeckt und ich habe mich
nur der Sitte des Landes angepasst.
Die Rückfahrt mit der Pirogue wurde nun doch etwas nasser. Nicht von unten,
sondern von oben wurden wir begossen. Wie es sich im Regenwald gehört, wurden
wir während der Fahrt mit einem ordentlichen Regenschauer verabschiedet.
Bei diesen hohen Temperaturen ist ein solcher Regen aber eher als eine willkommene
Abkühlung zu betrachten.
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